Seit einigen Jahren sieht der Gesetzgeber als Regelfall das gemeinsame Sorgerecht für beide Elternteile vor. Das gilt jedenfalls, wenn die Eltern bei Geburt des Kindes verheiratet sind. Bei Trennung, Scheidung und in anderen speziellen Konstellationen in der Familie kann es als Elternteil ein Bedürfnis dafür geben, ein alleiniges Sorgerecht zu beantragen. Das zuständige Familiengericht richtet sich bei seiner Entscheidung nach dem alleinigen Sorgerecht grundsätzlich am Kindeswohl aus.
Ich habe Ihnen hier die wichtigsten Aspekte zum Thema alleiniges Sorgerecht zusammengestellt. Mehr zu Ihrer individuellen rechtlichen Situation und Ihren Möglichkeiten erfahren Sie in einer persönlichen Beratung in meiner Kanzlei.

Alleiniges Sorgerecht – das Wichtigste in Kürze

  • Regelmäßig sind beide verheirateten Elternteile sorgeberechtigt für gemeinsame Kinder.
  • Auf Antrag eines Elternteils kann bei Vorliegen berechtigter Gründe unter Beachtung des Kindeswohls das Sorgerecht auf ein Elternteil durch Entscheidung des Familiengerichts übertragen werden.
  • Das Umgangsrecht ist vom Sorgerecht zu trennen. Auch, wer nicht sorgeberechtigt ist, hat regelmäßig ein Recht und auch die Pflicht auf Umgang mit seinem Kind.
  • Auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist nicht identisch mit dem Sorgerecht, sondern ein Teil davon.
  • Es kann verschiedene Gründe dafür geben, dass Sorgerecht auf einen Elternteil allein zu übertragen. Immer droht eine Gefährdung des Kindeswohls. Hier spielen zum Beispiel häusliche Gewalt, psychische Probleme eines Elternteils, Drogenkonsum oder Alkoholismus eine Rolle. Auch der Wunsch des Kindes fließt in eine Entscheidung mit ein.
  • Wer vom Sorgerechtsentzug betroffen ist, kann sich rechtlich mit einer Beschwerde dagegen wehren.

Was bedeutet alleiniges Sorgerecht, was gemeinsames Sorgerecht?

Eltern haben Kindern gegenüber verschiedene Rechte und Pflichten. Auf der einen Seite billigt das Verfassungsrecht ihnen das sogenannte Elternrecht zu. Auf der anderen Seite übernehmen sie im Rahmen der elterlichen Sorge die Verantwortung für das Kind. Die elterliche Sorge umfasst die Fürsorge für die Person des Kindes sowie die Vermögenssorge. Bei der Ausübung des Sorgerechts haben sich die Eltern am Kindeswohl auszurichten.

Sind Eltern bei der Geburt eines Kindes verheiratet, steht Ihnen gemeinsam das Sorgerecht für die Kinder zu. Sind Eltern zum Zeitpunkt der Geburt nicht miteinander verheiratet, hat zunächst die Mutter das alleinige Sorgerecht. Hier können sich später auf Anordnung des Gerichts nach einem Antrag des Kindsvaters Veränderungen ergeben.

Gemeinsames Sorgerecht bedeutet, dass beide Eltern über alle relevanten Lebenssachverhalte des Kindes entscheiden. Das Sorgerecht umfasst verschiedene Teilbereiche, wie zum Beispiel das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Vom Sorgerecht zu unterscheiden und zu trennen ist das Umgangsrecht.

Alleiniges Sorgerecht heißt, dass ein Elternteil allein über die Lebensführung des Kindes entscheidet. Die Pflicht zur Unterhaltszahlung bleibt davon unberührt

 

Was hat das alleinige Sorgerecht mit dem Umgangsrecht zu tun?

Sorgerecht und Umgangsrecht haben verschiedene rechtliche Zielrichtungen. Während es beim Sorgerecht um die Lebensführung des Kindes und seine Gestaltung geht, gewährt das Umgangsrecht den Elternteilen ein Recht auf den regelmäßigen Kontakt zum Kind. Dieses Recht ist auch eine Pflicht, da das Kind selbst ebenfalls ein Recht auf Umgang mit beiden Elternteilen hat. Gemeinsam ist sowohl Sorgerecht als auch Umgangsrecht, dass sich ihre jeweilige Ausgestaltung in dem Alltag und in der Lebensrealität des Kindes am Kindeswohl ausrichten muss.

 

Was ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht?

Kind spielt mit Seifenblasen

Das Kindswohl steht als oberste Maxime für oder gegen eine Entscheidung über das alleinige Sorgerecht

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist ein Teil der elterlichen Sorge. Es kann isoliert auf ein Elternteil oder auch andere Personen wie Großeltern übertragen werden. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht umfasst die Entscheidung über den örtlichen Lebensmittelpunkt des Kindes. Je nach den Erfordernissen des Einzelfalls überträgt das Familiengericht häufig auch weitere Aufgaben der Personensorge an Dritte, wenn das im Sinne des Kindeswohls ist.

 

Welche Rolle spielt das Kindeswohl in Sorgerechtsfragen?

Das Kindeswohl oder das Wohl des Kindes prägt als unbestimmter Rechtsbegriff eine Vielzahl von rechtlichen Beziehungen, die Kinder mit anderen Menschen verbinden. Es steht als oberste Maxime über Entscheidungen des Familienrechts in Sorgerechtssachen oder bei Adoptionen.

Verschiedene Kriterien können in die Bewertung des Kindeswohls einfließen. Man kann etwa anhand eines Fragenkataloges versuchen, den Begriff des Kindeswohls im Einzelfall greifbarer zu machen:

  • Wie gestalten sich die Beziehungen des Kindes zu den Eltern?
  • Welche inneren Bindungen hat das Kind an bestimmte Personen? (Das müssen nicht nur die Eltern sein)
  • Welchen Willen hat das Kind selbst?
  • Welche Kontinuität und Stabilität weisen Beziehungen zu Bezugspersonen des Kindes auf?
  • Wie lassen sich positive Beziehungen zu beiden Elternteilen herstellen, beziehungsweise erhalten

Das sind einige Aspekte, die bei der Bestimmung des Kindeswohls eine Rolle spielen können. Wenn sich im Zusammenhang mit einer Trennung oder Scheidung zwischen den Elternteilen Streitigkeiten und Auseinandersetzungen entwickeln, müssen alle Beteiligten das Kindeswohl im Blick behalten.

Wie beantrage ich das alleinige Sorgerecht?

Alleiniges Sorgerecht kann formlos beim zuständigen Familiengericht beantragt werden. Besteht bereits Streit über die Ausübung der elterlichen Sorge zwischen den Eltern, sollte der Antrag ausführlich begründet werden. Das Familiengericht bezieht andere Stellen in die Entscheidung über eine Sorgerechtsübertragung ein. Beispielsweise wird das Jugendamt involviert. Der Antrag kann auf eine vollständige oder teilweise Übertragung des Sorgerechts abzielen.

Bei seiner Entscheidung stellt das Familiengericht das Kindeswohl in den Mittelpunkt. Da es sich um eine schwerwiegende Entscheidung zulasten eines Elternteils handelt – diesem wird das Sorgerecht entzogen – prüft es sehr sorgfältig die jeweiligen Umstände des einzelnen Falls. Wenn möglich, schlagen Familienrichter mildere Mittel vor als einen Sorgerechtsentzug. Vielfach wird deshalb nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil der elterlichen Sorge auf einen Elternteil übertragen. Gerade in streitigen Fällen wird bei der Sorgerechtsentscheidung auch das Umgangsrecht geregelt.

 

Wie lange dauert das Verfahren zur Beantragung des alleinigen Sorgerechts?

Wie lange ein Verfahren zur Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil dauert, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab. Dabei spielt unter anderem eine Rolle, ob es in der Sorgerechtsfrage eine längere Vorgeschichte gibt, ob dritte Personen mit in die Entscheidung einbezogen werden müssen und welchen Willen das Kind selbst in der Frage äußert. Sorgerechtsverfahren können durchaus mehrere Monate in Anspruch nehmen. Dabei unterliegt das Gericht einem Beschleunigungsgebot, es muss möglichst schnell verbindlich die Sorgerechtsfragen regeln. In weniger komplexen Verfahren ist mit einer Verfahrensdauer von etwa sechs Wochen bis drei Monaten zu rechnen. Komplexe Fälle können sich auch über ein Jahr erstrecken.

Mutter hat alleiniges Sorgerecht

Bei Gefahr im Verzug, beispielsweise bei Gewalttätigkeit durch den Mann, kann das alleinige Sorgerecht im Eilverfahren übertragen werden

Es kann Situationen geben, in denen das Familiengericht zumindest vorläufig eine sehr schnelle Entscheidung in einem Eilverfahren treffen muss. Das kann beispielsweise in Fällen häuslicher Gewalt notwendig sein, um das Kind zu schützen. In der Regel umfasst diese Eilentscheidung noch keine endgültige Entscheidung zur Übertragung des Sorgerechts, sondern gewährt zunächst eine sichere Umgebung für das Kind bis zu einer endgültigen Entscheidung.

 

Potenzielle Gründe für die Übertragung des Sorgerechts auf einen Erziehungsberechtigten

Alleiniges Sorgerecht kommt regelmäßig in Fällen infrage, in denen ein Elternteil durch sein Verhalten oder persönliche Beeinträchtigungen die Ausübung der elterlichen Sorge nicht mehr verantwortungsbewusst ausüben kann. Er gefährdet das Wohl des Kindes.

Eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts kann zum Beispiel erfolgen, wenn ein Elternteil,

  • Drogen konsumiert.
  • alkoholabhängig ist.
  • unter ernsthaften psychischen Störungen wie einem Borderline Syndrom oder Schizophrenie leidet.
  • gewalttätig gegenüber Kindern und/oder dem anderen Elternteil ist.

Grobe Erziehungsfehler, die Vernachlässigung des Kindes, eine potenzielle Gesundheitsgefährdung oder aber auch die Verweigerung des Umgangsrechts für den anderen Elternteil können eine Entziehung des Sorgerechts ebenfalls begründen.

Auch auf den ausdrücklichen Wunsch des Kindes kann das Gericht das Sorgerecht allein auf einen Elternteil übertragen.

Das Familiengericht wird dabei immer eine umfassende Prüfung des jeweiligen Einzelfalls vornehmen. Kein Fall gleicht hier dem anderen. In bestimmten Fallkonstellationen können im Übrigen auch Dritter wie Großeltern in die Sorgerechtsfrage und die Übertragung des Sorgerechts einbezogen werden. Bei der Entscheidung über das alleiniges Sorgerecht können auch einzelne Teilaspekte abgespalten werden.

 

Sorgerechtsverfahren und Kosten

Gerichtskosten alleiniges Sorgerecht

Die Kosten für ein Verfahren zur Übertragung des alleinigen Sorgerechts richten sich nach dem Streitwert

Maßgeblich für die Kosten des Sorgerechtsverfahrens ist der Streitwert. Das Gericht legt diesen fest. In aller Regel nehmen Familienrichter für Sorgerechtsverfahren einen Streitwert von bis zu 3000 EUR an. In Verbindung mit einer Scheidung liegt der Streitwert bei 20 % des Streitwertes aus dem jeweiligen Scheidungsverfahren, er ist dabei auf 3000 EUR begrenzt. Die Anwaltskosten in Sorgerechtssachen berechnen sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

In manchen Fällen ordnet der Familienrichter dem Kind einen Verfahrens Beistand zu, für den ebenfalls Kosten zu tragen sind.

Normalerweise müssen Sie für ein Sorgerechtsverfahren etwa mit Kosten von maximal um 530 EUR rechnen. Es kommt aber dabei noch auf weitere Umstände des einzelnen Falles an.

 

Ich bin gegen die Übertragung des Sorgerechts – was kann ich tun?

Wer als Elternteil von einem Sorgerechtsentzug bedroht ist, kann sich gerichtlich gegen diesen wehren. Mit einer Beschwerde legt der Betroffene seine Argumente vor, die aus seiner Sicht gegen ein Sorgerechtsentzug sprechen. Viele Sorgerechtsverfahren sind zwischen Beteiligten hoch streitig. Das liegt daran, dass ein Sorgerechtsentzug nur infrage kommt, wenn es zu einer Gefährdung des Kindeswohls kommt. Typische Erziehungsdefizite, auch wenn sie gravierend sind, reichen für einen Entzug des Sorgerechts nicht aus.

Mütter, die bei der Geburt des Kindes nicht mit dem Kindesvater verheiratet sind, können ihrerseits in einem formularmäßigen Widerspruch von Anfang an der Beantragung eines gemeinsamen Sorgerechts widersprechen.

Lassen Sie sich zu den jeweiligen Voraussetzungen und Ihren rechtlichen Möglichkeiten in den einzelnen Verfahren umfassend von mir beraten.

 

Alleiniges Sorgerecht – was passiert, wenn ich sterbe?

Beim Tod des Elternteils, dem das alleinige Sorgerecht zusteht, kommt es für die weitere Ausübung elterlicher Sorge auf die Umstände des Einzelfalls an. Wer das alleinige Sorgerecht innehat, kann bereits vor seinem Tod Verfügungen darüber treffen, dass das Sorgerecht nach seinem Tod nicht auf das andere Elternteil übergehen soll. In aller Regel kommt es nicht zu einer automatischen Übertragung des Sorgerechts auf das verbliebene Elternteil oder andere Verwandte des Kindes. Vielmehr tritt das Familiengericht in eine umfassende Prüfung des einzelnen Falles ein und richtet seine Entscheidung zur elterlichen Sorge auch dabei am Kindeswohl aus.

Bodo Heuser

Der Fachanwalt für Familienrecht und Erbrecht ist seit über 20 Jahren erfolgreich in Köln aktiv und hat für vielzählige Mandanten sehr gute Erfolge vor Gericht erzielt. Er hilft Ihnen dabei, Ihren Fall kompromisslos und ergebnisorientiert vor Gericht durchzusetzen.